Pflanzschnitt

Jeder Baum hat ein Gleichgewicht, was die Wurzelmasse und die Holz-/ Blattmasse betrifft. So ragen z.B. die Wurzeln eines Baumes immer bis in den Randbereich der Baumkrone, da hier besonders viel Niederschlag ankommt. Wird dieses Gleichgewicht gestört, reagiert der Baum und versucht dies auszugleichen. Bei starkem Rückschnitt der Baumkrone treibt der Baum im folgenden Jahr umso stärker, da die Wurzelmasse gleich geblieben ist. Beim Ausgraben in der Baumschule passiert jedoch das Gegenteil, da ein nicht unerheblicher Teil der Wurzeln abgetrennt wird. Zudem muss der Baum zunächst anwachsen, um Wasser und Mineralstoffe in großer Menge aus dem Boden aufnehmen zu können. Würde der Baum nun bei der Pflanzung nicht geschnitten, wäre es für die Wurzeln kaum möglich die ganzen Triebe und Blätter mit Wasser zu versorgen. Der Baum hätte kaum einen Neuaustrieb oder würde je nach Wetter eventuell sogar vertrocknen und absterben.

Gerade bei den typischen Streuobstbäumen ist jedoch ein starker Austrieb gewünscht und wichtig, da es ohnehin etliche Jahre dauert, bis eine große Baumkrone gewachsen ist.

Der Pflanzschnitt ist zudem entscheidend für das gesamte Baumleben, da hier die Leitäste ausgewählt werden.

Nicht als Leitäste eignen sich Schlitzäste, welche man an wulstartiger Rinde an der Oberseite des Triebes, direkt am Ansatz, erkennt (vgl. erstes Bild unten) und Konkurrenztriebe zur Mitte, welche sehr steil und fast parallel zur Mitte stehen. Diese Triebe werden am Ansatz abgeschnitten.

Ideal geeignet für zukünftige Leitäste sind kräftige Trieb mit möglichst flachem Ansatz, was ein stabiles Verwachsen mit sich bringt (vgl. erstes Bild oben).

Nun sind möglichst vier solcher Triebe auszuwählen, welche sich gleichmäßig um den Stamm verteilen und möglichst nicht auf einer Höhe sind, sondern gerne auf einem Bereich von 20-30cm verteilt. Sind keine vier geeigneten Triebe vorhanden, kann man auch drei auswählen und entweder im folgenden Jahr noch einen vierten in die Lücke ziehen oder man belässt es bei drei Leitästen, sofern diese gleichmäßig um den Baum verteilt sind.

Alle weiteren nach oben wachsenden Triebe am Baum sind in diesem Stadium unnötig bzw. sogar Konkurrenz zu den Leitästen und müssen abgeschnitten (nicht angeschnitten!), werden. Lediglich ein oder zwei flache und schwache Triebe können beim Pflanzschnitt belassen werden. Auch wenn es im ersten Moment schmerzen mag das alles wegzuschneiden, ist es nötig, da der Baum sonst zu viel Energie in diese Triebe steckt, welche dann beim Austrieb der Leitäste fehlt.

Siehe dazu das zweite und dritte Bild, welches einen außergewöhnlich schönen Baum vor und nach dem Pflanzschnitt zeigt.

Nun müssen die als Leitäste ausgewählten Triebe noch in der Steigung kontrolliert werden. Ein ganz flacher Trieb (drittes Bild der Trieb rechts) sollte mit einer Weide oder Schnur etwas hochgebunden werden und ein zu steiler Trieb (drittes Bild Trieb nach vorne) mit einem Spreizholz abgespreizt werden. Hierfür eignet sich Holunder mit seinem weichen Mark, welches nicht einschneidet, am besten.

Beim Pflanzschnitt sollte der Rückschnitt relativ kräftig (~50%) ausfallen. Zudem sollten die zukünftigen Leitäste ungefähr auf der gleichen Höhe angeschnitten werden. Daher sucht man sich zunächst am schwächsten Trieb eine nach außen zeigende Knospe, welche den zukünftigen Leitast weiterführen soll, aus. Nun wird über der darüber liegenden Knospe der Trieb abgeschnitten. Diese Technik des „Umkehrauges“, welche dazu führt, dass der nach außen wachsende Trieb flacher wächst, wurde schon in einem früheren Kapitel beschrieben und kann im Internet genauer nachgelesen werden. Zudem werden an den Leitästen die nach innen zeigenden Knospen (natürlich ohne die oberste) ausgebrochen, da hier nur Triebe zu erwarten sind, welche nach innen wachsen und daher nicht für den Kronenaufbau zu gebrauchen sind.

Sind so alle vier Leittriebe behandelt, wird noch die Mitte eingekürzt und zwar so, dass diese die äußeren Triebe etwas (nicht zu viel!) überragt.

Bei der Mitte werden üblicherweise, wie auch schon in einem früheren Kapitel beschrieben, 4-5 Knospen unter der obstersten ausgebrochen. Bei neu gepflanzten Bäumen empfiehlt es sich jedoch oben zwei Knospen stehen zu lassen und im nächsten Winter den schöneren Trieb als Verlängerung der Mitte auszuwählen, da die oberste Knospe häufig schlechter austreibt als die darunter liegende.

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