Leitäste

Die Leitäste werden schon bei der Pflanzung oder in den ersten Standjahren des Baumes festgelegt und bleiben ein Leben lang bestehen. Die Leitäste sind das tragende Gerüst des Baumes und müssen alle weiteren Äste und die Fruchtlast tragen. Daher ist es wichtig diese sorgfältig auszusuchen und gut zu pflegen.

Schon beim Pflanzschnitt werden möglichst vier Triebe als Leitäste ausgewählt. Dabei sind drei Punkte unbedingt sicherzustellen:

 

  • Gleichmäßige Verteilung um den Stamm (Kreuzförmig)
  • Der Ansatz sollte nicht genau auf einer Höhe sein, sondern lieber in einem Bereich von 20cm verteilt.
  • Auf keinen Fall dürfen "Schlitzäste" und sehr steil abgehende Triebe, welche eine Konkurrenz zur Mitte darstellen, als Leitäste ausgewählt werden.

Im ersten Bild ist einer der vier Leitäste mit den weiteren Ästen und Zweigen schematisch in zwei Perspektiven zu sehen. Im oberen Bild ist ein senkrechter Schnitt zu sehen. Im unteren Bild ist die Draufsicht (sozusagen von oben auf den Baum geschaut), genau des gleichen Astes zu sehen. Dies soll eine dreidimensionale Vorstellung ermöglichen, welche auf Papier leider weder als Text noch als Bild wirklich gut darzustellen ist.

Der Leitast hat einen flachen Abgang und wird zum Ende hin immer steiler. Dies ist für eine gute Statik wichtig. Jeder Leitast sollte im ausgewachsenen Zustand drei „begleitende“ Fruchtäste haben. Diese Fruchtäste gehören ebenfalls zum tragenden Gerüst des Baumes.

Der Abstand vom Stamm zum ersten begleitenden Fruchtast und der Abstand zwischen diesen sollte ca. 60-80cm betragen. Gerade im oberen Bild kann damit die Dimension des gesamten Baumes grob abgeschätzt werden und es wird deutlich, dass die begleitenden Fruchtäste den Baum deutlich breiter werden lassen. Entscheidend ist auch die Stellung der begleitenden Fruchtäste. Diese dürfen auf keinen Fall direkt übereinander liegen, wie das im oberen Bild scheint. In der Draufsicht des unteren Bildes kann man sehen, dass diese mit flachem Winkel seitlich abgehen.

Die begleitenden Fruchtäste müssen dem Leitast von der Stärke und Höhe untergeordnet sein und das Fruchtholz (dünne Linien) wiederum den Fruchtästen.

Damit die Leit- und begleitenden Fruchtäste zu stabilen Ästen werden, müssen sie jedes Jahr angeschnitten werden. Das Anschneiden hat mehrere Folgen:

  • Dickenwachstum → Stabilität
  • Stärkerer Austrieb → Leitast bleibt Fruchtholz übergeordnet
  • Keine Bildung von Blütenknospen → Leitast soll nicht zu Fruchtholz werden
  • Kontrolle der Wuchsrichtung durch Auswahl und Ausbrechen von Knospen

 

Der letzte Punkt knüpft genau dort an, wo der Bericht der letzten Woche geendet hat, nämlich damit, wie man den Austrieb an der Stelle bekommt, wo dieser auch erwünscht ist. Am Leitast und den begleitenden Fruchtästen ist kein Austrieb in Richtung des Stammes erwünscht, da diese Triebe die Lichtschneisen verschließen und damit die unteren Äste beschatten.

Um das nach innen Wachsen zu unterbinden, werden schon beim Schnitt die Knospen (auch als „Augen“ bezeichnet), welche zum Stamm zeigen mit dem Fingernagel oder der Klinge der Rebschere ausgebrochen. So spart sich der Baum die Energie für den Austrieb und man muss im kommenden Jahr weniger Triebe abschneiden. In den folgenden beiden Bildern sind ausgebrochene Knospen mit einem Punkt dargestellt.

Diese Bilder zeigen die Behandlung eines Jahrestriebes, der als Verlängerung für einen Leitast oder Fruchtast dienen soll.

Ganz entscheidend für den weiteren Wuchs ist die Knospe, die den Ast in den kommenden Jahren weiterführen soll. Hierfür wird eine außenliegende Knospe gewählt, welche in die gewünschte Richtung zeigt.

Im zweiten Bild ist die klassische Methode gezeigt, bei welcher der Trieb knapp über dieser Knospe abgeschnitten wird. Als Folge treibt der Baum einen recht steilen Trieb aus dieser Knospe aus. Sofern der Leitast schon so weit gezogen wurde, dass dieser im sehr steilen Bereich ist (vgl. oben), kann man so verfahren.

Viel schwieriger ist es jedoch den Leitast im unteren Bereich flach nach außen zu bringen. Hierfür ist im folgenden Bild ein Trick abgebildet, welcher als „Umkehrauge“ bezeichnet wird.

Hierfür wird über der auserwählten und nach außen zeigenden Knospe noch eine weitere Knospe stehen gelassen, welche üblicher Weise nach innen zeigt. Der Baum treibt daraufhin aus den beiden oberen Knospen stark aus. Die innenliegende Knospe treibt sehr steil aus. Die nach außen liegende Knospe versucht diesem Trieb auszuweichen und wird deutlich flacher.

Im folgenden Jahr wird dann der steile Trieb wie rechts im Bild dargestellt komplett abgeschnitten und man erhält einen deutlich flacheren Trieb. Dieses Verfahren eignet sich hervorragend um den Leitast und die begleitenden Fruchtäste im unteren Bereich auch ohne „abspreizen“ flach nach außen zu bekommen.

 

 

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