Mitte/ Stammverlängerung

Neben den Leitästen, ist die Mitte das andere wesentliche Element des Obstbaumes. Bei der Oeschbergkrone wird die Mitte ähnlich eines Plantagenbaues als „Spindel“ gezogen, wobei natürlich die Größe und Stärke des Austriebs nicht mit solchen Bäumen zu vergleichen ist.

Bei der Erziehung der Mitte ist darauf zu achten, dass es nur einen kräftigen senkrechten Trieb gibt und sich keine Konkurrenz bildet. Hierfür gibt es drei Vorgehensweisen, welche alle im ersten Bild dargestellt sind. Links ist der Trieb vor der Behandlung, rechts danach. Die dicke Linie stellt den Trieb des vorletzten Jahres dar, die dünnen Linien den Austrieb des letzten Jahres:

  1. Knospen ausbrechen:

Wie schon bei den Leitästen beschrieben, ist die schonendste Methode des Baumschnitts gleich die Knospen/ Augen auszubrechen, von welchen im kommenden Jahr nur Triebe zu erwarten sind, die man ohnehin nicht haben möchte.

Man sucht sich eine Knospe aus, welche die Mitte im kommenden Jahr weiterführen soll (Pfeil rechts) und schneidet knapp über dieser den restlichen Trieb ab. Wenn die Mitte etwas schräg oder versetzt zum Stamm kommt, sollte eine in die Gegenrichtung gewählt werden, sodass der Versatz korrigiert wird. Würde der Trieb nun so belassen, hätte man im folgenden Jahr einen Besen an Trieben, da nicht nur die oberste, sondern auch die folgenden Knospen stark austreiben und nach oben um mehr Licht kämpfen würden. Um diese unnötige Konkurrenz von vornherein zu vermeiden, sollten 4-6 Knospen unter der obersten ausgebrochen werden (Punkte). Die noch weiter unten liegenden Knospen treiben in der Regel deutlich flacher und weniger stark aus.

  1. Austrieb flach binden:

Selbst wenn die Augen im Vorjahr ausgebrochen wurden, treiben die unteren Knospen nicht völlig flach, sondern steigen mit Abstand zur Mitte an und versuchen somit dem Licht entgegen zu wachsen. Ist jedoch zumindest der Trieb nicht zu steil und zu dick, kann dieser mit Weiden flach, d.h. mit der Spitze sogar unter die Waagerechte, gebunden werden (Pfeile links) und somit schneller in Fruchtholz gewandelt werden. (Fruchtholz nächste Woche im Detail)

  1. Schneiden:

Falls jedoch trotz blenden der Knospen ein zu starker und steiler Trieb entstanden ist, welcher auch nicht mehr flach gebunden werden kann, muss dieser abgeschnitten werden (langer steiler Trieb im Bild). Werden jedoch die ersten beiden Regeln eingehalten, muss möglichst wenig geschnitten werden und der Baum nutzt die ganze Kraft in jungen Jahren für schnelles Wachstum und im Ertragsalter für guten Ertrag.

 

Im folgenden Bild ist die Mitte als Ganzes mit den wesentlichen Teilen als Skizze dargestellt.

Neben der klaren Stammverlängerung sind auch einzelne stärkere Äste vorhanden, welche beispielsweis das Anleitern ermöglichen. Wichtig ist jedoch diese kurz zu halten, sodass sie nicht über die Leitäste hinausragen. Die Leitäste sind nur zum Abschätzen der Größenverhältnisse eingezeichnet. Die ganze Mitte und die Fruchtäste sind mit Fruchtholz garniert (dünne Linien).

 

Mit der Mitte und den im vorigen Kapitel behandelten Leitäste mit den begleitenden Fruchtästen, ist das gesamte tragende Gerüst des Baumes beschrieben.

Diese Äste müssen jährlich angeschnitten werden. Stellst sich nur noch die Frage, wie viel wird an-/ abgeschnitten. Diese Frage ist jedoch schwer allgemein zu erklären. Es ist immer das Gesamtbild, aber auch die Entwicklung des Baumes im letzten Jahr zu beachten.

Der größte Ausnahmezustand für einen Baum ist gleich im ersten Jahr das Pflanzen. Der Baum verliert hierbei eine große Menge seiner Wurzelmasse. Die verbliebenen Wurzeln müssen zunächst anwachsen und können unmöglich so viel Blätter wie der Baum im letzten Jahr hatte, versorgen. Daher ist beim Pflanzschnitt durchaus kräftig zurückzuschneiden. Zur Pflanzung und dem Pflanzschnitt, welcher unabhängig ob Herbst oder Frühjahrspflanzung immer im Frühjahr durchgeführt werden sollte, zum passenden Zeitpunkt nochmals Details.

In den folgenden Jahren der Baumerziehung gilt: Starker Rückschnitt fördert starken Austrieb, da weniger Knospen übrig bleiben. Allerdings ist alles, was man wegschneiden muss auch wieder für den Baum verlorene Anstrengung im Vorjahr. Durch das beschriebene Knospen blenden, werden die Triebe gefördert, welche man haben möchte. Diese werden entsprechend länger, kräftiger und man bekommt schneller eine große Krone. Hier genügt ein jährlicher Anschnitt von ca. 25% des letztjährigen Triebs. Bei einem schwachen Jahrestrieb lieber etwas mehr zurückschneiden. Gerade in den ersten Jahren ist es auch wichtig darauf zu achten, dass kein Leitast verkümmert, während die Anderen immer weiter gen Himmel wachsen. Hier sollte man ungefähr auf ein gleiches Niveau achten (ohne Wasserwaage!). Im Zweifel ist ein schwach wachsender Trieb etwas steiler zu stellen, da steil stehende Triebe immer stärker wachsen.

Die Mitte sollte nicht tiefer geschnitten werden als die Spitzen der Leitäste, jedoch auch nicht wesentlich höher, da man sonst Gefahr läuft, dass die Mitte zu dominant wird und sich auch durch viel Fruchtholz nicht mehr bremsen lässt.

Da jeder Baum zum einen von Art und Sorte abhängig, aber auch vom Individuum (Standort, Boden, Feuchte, Düngung,…) sehr unterschiedlich reagiert, ist es sehr wichtig sich genau die Reaktion des Baumes anzuschauen, am besten nicht erst im kommenden Jahr beim Baumschnitt, sondern auch während des Jahres.

 

 

Hier gehts weiter zum nächsten Kapitel: Fruchtholz